Sozialleistungsbetrug: Scheidungsrecht missbraucht Ein pensioniertes Ehepaar steht im Verdacht, das Scheidungsrecht durch wiederholte Heirat und anschließende Scheidung mehr als 35 Jahre hindurch missbraucht zu haben. Sie ließen sich insgesamt zwölf Mal verheiraten und wieder scheiden, um der Frau den Anspruch auf Witwenpension zu erhalten. Der Schaden: Mehr als 326.000 Euro. Allein in der Steiermark decken Ermittler pro Jahr Sozialleistungsbetrügereien mit einem gesamtgesellschaftlichen Schaden in Millionenhöhe auf.Ein Urteil des Obersten Gerichtshofes vom 12. März 2024 brachte die kriminalpolizeilichen Ermittlungen des Grazer Kriminalreferats in diesem Fall ins Rollen. Dabei entschied das Höchstgericht, dass „die wiederholte Heirat und anschließende Scheidung vom selben Gatten rechtsmissbräuchlich ist, wenn die Ehe nie zerrüttet war und die Scheidungen nur deshalb erfolgten, um einen Anspruch auf Witwenpension zu begründen“ (OGH 10 ObS 108/23i). Dabei hatte die heute 73-jährige Witwe ihren zweiten Mann im Jahre 1982 erstmals geheiratet. Von ihm ließ sie sich sechs Jahre später (1988) erstmals wieder scheiden. Diese Vorgehensweise praktizierte das in der gesamten Zeit stets im gemeinsamen Haushalt lebende Paar bis ins Jahr 2022 weitere elf Mal. Dabei wurde der Frau nach Einhaltung von erforderlichen Fristen jeweils wechselweise die gesetzlich zustehende Witwenpension bzw. eine Abfertigung bis zur erstmaligen Verweigerung der Pensionsversicherungsanstalt (PVA) im Mai 2022 ausbezahlt. Diesen negativen Bescheid bekämpfte die Betroffene in der Folge bis zum Höchstgericht, welches die Rechtsansicht der gerichtlichen Vorinstanzen letztlich bestätigte.Kriminalpolizeiliche Ermittlungen: „Vorzeigeehe geführt“Die seitens der Polizei geführten Ermittlungen in diesem Fall sind nun abgeschlossen. Dabei bestätigte sich der strafrechtlich relevante Verdacht, dass das pensionierte Paar diese Vorgehensweise bewusst im gemeinsamen Einvernehmen wählte, um sich aus den teils steuerbegünstigten Zuwendungen einen finanziellen Vorteil zu verschaffen. Im Rahmen der Ermittlungen befragte Zeugen und Auskunftspersonen bestätigten dabei den Eindruck, dass die beiden über mehr als 35 Jahre hinweg zu keinem Zeitpunkt tatsächlich getrennt waren und sie vielmehr eine „Vorzeigeehe“ führten. Das Umfeld soll zudem vom wiederholten Heiraten und den Scheidungen nichts mitbekommen haben.Aussage verweigertDas aktuell (wieder) verheiratete Paar zeigte sich zum Sachverhalt befragt nicht geständig und verweigerte die Aussagen. Der entstandene Gesamtschaden zum Nachteil der Pensionsversicherungsanstalt soll sich den Ermittlungen zufolge auf mehr als 326.000 Euro belaufen. Beide werden nun wegen des strafrechtlichen Verdachts des schweren gewerbsmäßigen Betrugs an die Staatsanwaltschaft Graz angezeigt.Sozialleistungsbetrug in der SteiermarkAuch wenn es einen derartigen Fall in der Geschichte der Betrugsbekämpfung bislang noch nicht gab, so sind die Erscheinungsformen des sogenannten Sozialleistungsbetrugs (SOLBE) vielfältig. Bereits seit mehreren Jahren setzt die Polizei daher mit der Einführung einer eigenen „Task Force SOLBE“ bundesweit auf verstärkte Bekämpfung dieses Phänomens. Allein in der Steiermark wurde im Langzeittrend der vergangenen zehn Jahre beinahe eine Versiebenfachung dieser Delikte festgestellt (2014: 55; 2023: 371). Dies ist vor allem auf intensive Ermittlungsarbeit mit beinahe 100-prozentiger Aufklärungsquote sowie auf eine verstärkte Vernetzung mit Organisationen und Partnern zurückzuführen. Allein in der Steiermark beläuft sich der jährlich aufgedeckte Schaden zu Lasten der Gesellschaft auf einen einstelligen Millionenbetrag. Bundesweit konnten Ermittler im vergangenen Jahr (2023) mit etwa 4.650 ausgeforschten Tatverdächtigen und einer aufgedeckten Schadenssumme von rund 25,5 Millionen Euro überhaupt die stärkste Jahresbilanz seit dem Bestehen der „Task Force SOLBE“ vorweisen.Presseaussendung vom 03.12.2024, 09:01 UhrReaktionen bitte an die Redaktion. zurück
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