„Verbrecher-Einsperren fehlt mir..

… ein bisschen.“Über seine frühere Ermittlertätigkeit und die Gründe, warum er nie aus Grein weggezogen ist, erzählt Landespolizeichef Andreas Pilsl bei einer Wanderung durch die Stillensteinklamm.GREIN. Bei der Anfahrt regnet es wie aus Kübeln. Warum wandern, warum heute, denke ich. Die Donau-ufer-Bundesstraße zieht sich. Ich passiere Perg, nach Grein sind es weitere 23 Kilometer. Dort warten Landespolizeidirektor Andreas Pilsl und einer seiner engsten Freunde, der Mauthausener Unternehmer Bernhard Schutti.Treffpunkt 9 Uhr beim Einstieg in die Stillensteinklamm, direkt an der Donau, drei Kilometer östlich von Grein – der Stadt, in der Pilsl aufgewachsen ist und heute noch lebt. Das Wetter hat sich gebessert. Es ist noch kalt, aber die Sonne kommt durch im östlichsten Teil Oberösterreichs. Melk ist von hier aus näher als Linz. Nach Amstetten sind es gar nur 16 Kilometer.OÖNachrichten: Wie oberösterreichisch ist denn Ihre Heimatstadt Grein, Herr Pilsl?Andreas Pilsl: Hundert Prozent. Wir sind Mühlviertler durch und durch. Grein ist zwar eine kleine Stadt, aber eine mit viel Tradition. Wir haben das Stadtrecht seit 1491 – ein Jahr später fuhr Columbus über den Atlantik nach Amerika.Wasser prägt auch Grein. Zwar nicht das Meer, aber die Donau.Pilsl: Ohne Wasser kann ich es mir gar nicht vorstellen. Die Donau, genauer gesagt deren Strudel hier haben Grein auch früh aufblühen lassen. Die Schiffe, die donauabwärts gefahren sind, haben in Grein angelegt und ihre Güter abgeladen. Die sind dann auf dem Landweg nach St. Nikola gebracht und dort wieder aufgeladen worden.Leben mit dem Wasser heißt auch Leben mit Hochwasser. Am unteren Ende der Stillensteinklamm steht die Gießenbachmühle. An deren Hausmauer ist der Pegelstand der Hochwasser der jüngeren Geschichte vermerkt: 1954, 1991, 2002 und 2013. Geschätzt vier Meter hoch stand hier das Wasser vor vier Jahren. Das Stadtgebiet von Grein schützten 2013 dagegen mobile Stauwände.Pilsl: Hier bei der Stillensteinklamm kommt das Wasser sowohl von unten, der Donau, als auch von oben, vom Gießenbach, der durch die Klamm fließt.Bernhard Schutti: Und dessen Kraft über Jahrtausende hinweg ja auch die beeindruckende Stillensteinklamm geformt hat.Bernhard Schutti, früher ein Bankkaufmann, hat vor zwanzig Jahren das Unternehmen „Stein & Co“ mit Niederlassungen in Mauthausen und Ennsdorf gegründet. Die Firma mit rund 100 Mitarbeitern vertreibt Natursteine und Keramikprodukte an Großabnehmer in ganz Deutschland und Österreich. Mit Steinen kennt sich Bernhard Schutti aus.Schutti: Die Klamm hier sah wahrscheinlich schon vor Hunderttausenden von Jahren, lange bevor es den Homo sapiens gegeben hat, ähnlich aus wie heute. Mühlviertler Granit halt.Beständig eben. Wie beständig ist denn die Freundschaft zwischen Ihnen und Andreas Pilsl? Wie lange kennen Sie sich?Schutti: Seit mehr als 30 Jahren bekämpfen wir uns auf dem Tennisplatz. Wir haben uns über den Tennisverein Union Mauthausen kennengelernt, dem in den 80er-Jahren Andi als ehrgeiziger, junger Spieler aus Grein beigetreten ist. Mittlerweile spielt die Kampfmannschaft unseres Vereins in der ersten Bundesliga – auch wenn wir beide da nicht mehr mitspielen.Wie gehen die Matches zwischen Ihnen beiden aus?Schutti: Weil wir uns schon so lange kennen und wissen, wie der andere spielt, immer recht knapp. Die Sätze gehen meist ins Tiebreak.Der Weg schlängelt sich durch herbstliche Wälder, wird bald enger. Zweimal queren wir den Gießenbach auf Brücken, das Wasser rauscht über die Steine, plötzlich ist es still – der Bach ist nicht mehr zu sehen. Ein großer, überhängender Fels bildet ein Dach über der „Steinernen Stube“. Der Gießenbach fließt, von oben unsichtbar, tief unter den Felsblöcken.Pilsl: Das ist der „Stille Stein“, von dem die Klamm ihren Namen hat. Der Bach ist in diesem Abschnitt scheinbar weg, verborgen unter der Oberfläche.Sie sind in Grein aufgewachsen, leben hier. Wegzugehen war für Sie nie ein Thema?Pilsl: Die Entscheidung, in Grein zu bleiben, habe ich schon bald getroffen. Auch als ich in Wien gearbeitet habe, hatte ich meinen Lebensmittelpunkt hier. Das ist eine Kraftquelle, die ich nicht aufgeben will: Gute Freunde, eine schöne Umgebung und man ist etwas raus aus dem Trubel. Hier bin ich der Andi und nicht der Herr Landespolizeidirektor. Das ist gerade in schwierigen Phasen wie der Flüchtlingskrise wichtig, in denen du nur noch arbeitest – und das ohne einen Tag Pause über drei Monate hinweg.Bei Ihrer Berufswahl waren Sie familiär vorgeprägt. Ihr Vater war Gendarm.Pilsl: Wir haben sogar eine Zeitlang in einer Wohnung über der Dienststelle in Grein gewohnt. Ich wusste schon mit vier, dass ich Gendarm oder Polizist werden will. An etliche Einsätze meines Vater kann ich mich noch genau erinnern: Etwa als ein Huthändler in Grein überfallen wurde und er den Täter dann in den Donauleiten gestellt hat.Was bleibt von Ihren eigenen Einsätzen besonders in Erinnerung?Pilsl: Da gibt es vieles aus der Zeit, als ich mehr operativ tätig war als jetzt. Beim sogenannten Feuerteufel von St. Georgen habe ich beispielsweise die Ermittlungen geleitet. Ich muss sagen: Das fehlt mir jetzt schon ein bisschen, das Verbrecher-Einsperren.Was prägte sich noch ein?Pilsl: Die Verhaftung des polnischen Mafiapaten Jeremiasz Baranski. Das war 2001. Der Mann soll von Wien aus etliche Morde in Auftrag gegeben haben. Ausgeschaut hat er wie ein Gentleman, ein Parade-Opa Mitte sechzig. Aber nach der ersten Einvernahme in Wien hat er mir schon gesagt, wie meine Kinder heißen. Dann wurde auf das Auto meiner damaligen Frau ein kleiner Schlüsselanhänger mit einer Pistole gehängt.Was macht man da?Pilsl: Das ist eine schwierige Situation. Ich habe dem Herrn Baranski bei der nächsten Einvernahme aber gesagt, dass seine Einschüchterungsversuche nichts bringen. Mit etwas unnetteren Worten als ich das jetzt ausdrücke. 2003 startete dann der Prozess gegen ihn. Einen Tag vor der Hauptverhandlung hat er sich in der Zelle umgebracht.Wir erreichen ein kleines Stau-becken, verlassen die Klamm. Der Weg wird flacher, ein Feuersalamander kriecht über das Laub. Später sehen wir noch eine Blindschleiche. Welche Tiere begegnen einem sonst hier so? „Füchse und Rehe habe ich hier auch schon gesehen“, sagt Pilsl.Wir kommen auf eine Lichtung, die Sonne scheint. Warum wandern? Auf diese Frage wüsste jeder von uns dreien jetzt Dutzende Antworten.Andreas PilslDer Sohn eines Gendarmen wurde vor 48 Jahren in Grein geboren. Er hat eine steile Karriere in der Exekutive hingelegt: 1995 jüngster Bezirksgendarmerie-Kommandant Österreichs. Ab 2000 Mitarbeiter und später operativer Leiter im Büro für interne Angelegenheiten (BIA) in Wien. Von 2003 bis Ende 2006 arbeitete Pilsl im Kabinett der Innenminister Ernst Strasser und Liese Prokop. Ab 2006 Landespolizeikommandant in Oberösterreich.Seit 2012 ist Pilsl Landespolizeidirektor – und damit verantwortlich für 3800 Mitarbeiter der Polizei in Oberösterreich.

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