Über Respekt und Toleranz

Anlässlich der Eröffnungsfeier der „Linzer Gugl Games“ gab Conchita Wurst ein Einzelinterview für das Magazin der Landespolizeidirektion OÖ. Am Tag der Menschenrechte, am 10. Dezember 2014, wird dieses nun im Internet veröffentlicht.Groß war die Freude und auch die Aufregung als ein Mensch den Raum betrat, über den in letzter Zeit viel gesprochen, gehört, gelesen und der auch viel kritisiert wurde. Ist sie ein ER oder ist er eine SIE? Wie sich im Interview deutlich herausstellte: Es ist „Wurst“ – ein Mensch. Ein Mensch mit seinen höchst persönlichen Gedanken zu Ethik, Philosophie und Menschenrechten. Ein Mensch, der sich wünscht, so gesehen zu werden wie er ist – in all seinen Facetten und mit all den Talenten – ohne vorverurteilt zu werden. Ob mit Bart oder ohne Bart. Ob mit Make-Up oder eben ohne Schminke. Was sich Conchita Wurst von jedem Menschen erwartet ist, dass man sich mit Respekt und Toleranz begegnet.Ein Polizist ist ein Polizist. Auch ohne Uniform und außerhalb seiner Dienstzeit haben Polizisten gewisse Pflichten. Können Sie nach getaner Arbeit einen gewissen Teil Ihrer Rolle ablegen?“Wie eine Uniform, die der Polizist nach seinem Dienst ablegt, so lege auch ich mein Kostüm ab. Ich kann dann nach einem Auftritt einfach wieder zu meiner anderen Persönlichkeit finden. Das heißt aber nicht, dass Conchita Wurst komplett verschwindet. Sie ist immer noch da – nur eben im Hintergrund. Ich glaube das ist in jedem Job gleich. Für mich ist es eine Form der Entspannung und auch eine Erleichterung.“Wie gehen Sie mit dem Zwiespalt – Kunstfigur Conchita Wurst als ein Alter-Ego und der Privatperson – um?“Für mich war es aus diesem Grund notwendig, eine Kunstfigur zu erschaffen, weil ich mein Privatleben schützen möchte. Ich muss nicht Frau Wurst sein – ich kann es mir aussuchen, wann es an der Zeit ist; einen Teil meiner Persönlichkeit zu wechseln. Der Vorteil daran ist, ich kann auch privat mit meinen Freunden auf einen Kaffee gehen, weil die Fans auch in gewisser Weise gehemmt sind und nicht sicher sind, ob sie mich nun ansprechen sollen oder nicht. Es ist gewissermaßen eine Schutzfunktion. So werde ich nicht gleich erkannt und das kommt mir zu Gute.“Was meinen Sie, wäre Ihr Erfolg und Ihre Karriere anders verlaufen, wenn Sie keinen Bart hätten?“Ich glaube es wäre definitiv anders gewesen, wenn ich keinen Bart hätte. Mein Bart war gewollt und Zufall zugleich. Ich mache „Drag“ seitdem ich 14 Jahre alt bin. Viele Drag-Artisten sagen auch, dass sich dieser Charakter wie in der Pubertät weiterentwickelt hat. Im Jahr 2011 war ich dann mit meinem Look zufrieden. Es war für mich eine „natürliche“ Entwicklung – wie das Erwachsenwerden. Der Erfolg oder Misserfolg oder auch der Charakter ist für mich nicht davon abhängig wie jemand aussieht – sondern du bist entweder ein guter Mensch oder nicht.“Conchita Wurst polarisiert enorm. Wie gehen Sie mit Ihren Kritikern um?“Selbst wenn man mich nicht kennt und man mich sieht, spricht man über mich. Über das Anderssein entsteht dann im besten Fall eine Diskussion. Niemand muss mich lieben, meinen Look gut finden oder meine Musik gerne hören. Aber man muss akzeptieren, dass ich einfach da bin und hinnehmen, dass auch ich Teil dieser Gesellschaft bin. Alles was ich will – wie alle anderen Menschen auch – ist, mit Respekt behandelt zu werden.Diesen Respekt, den wir uns gegenseitig entgegenbringen sollen, muss doch nicht auf meine künstlerische Aktivität reduziert werden. Sondern ich meine, dass wir im alltäglichen Leben einander respektieren und entsprechend miteinander umgehen sollen – auch wenn wir uns vielleicht nicht leiden können.“Die Polizei als Staatsgewalt hat eine gewisse „Macht“ – Festnahmebefugnisse, Waffengebräuche und dergleichen. Diese Tatsache stößt bei so manchen allerdings auf Unmut.“Ich glaub es ist wichtig für alle Polizistinnen und Polizisten bewusst mit dieser Macht umzugehen – eben mit Respekt und Vorsicht. Wenn es allerdings nicht mehr anders geht, haben die Polizisten auch entsprechend durchzugreifen. Das erwarte ich mir als Staatsbürgerin ja auch, dass die Polizei mich als Zivilperson oder Künstlerin schützt. Niemand hat was davon, verbal oder physisch aggressiv zu werden – egal ob Bürger oder Polizei.“Im Jahr 2011 gab es in der Polizei Österreichs ein Projekt unter dem Titel „Polizei.Macht.Menschen.Rechte“. Darin wurde die gewünschte Philosophie unserer Polizei erläutert. Einer der 24 Leitsätze lautet auszugsweise: „Egal in welcher Situation und wem gegenüber…wir treten einander mit Respekt gegenüber…““Ich verstehe, dass es für unsere Polizistinnen und Polizisten extrem schwierig ist, denn mit ihnen wird oft alles andere als respektvoll umgegangen. Und in diesen Situationen, wo Polizisten beschimpft oder bespuckt werden, müssen sie sich auf das Wesentliche konzentrieren. Das ist leicht zu sagen, ich weiß. Für mich bedeutet dieser Leitsatz, noch Contenance zu wahren und sich darauf zu besinnen, worum es denn eigentlich wirklich geht. Es geht nämlich in solchen Situationen nicht um meine Person oder meine Befindlichkeiten als Polizist oder Polizistin, die ich jetzt befriedigt haben möchte.Ich werde ständig gefragt wie ich diese Hasstiraden und diesen ganzen Wahnsinn ertrage. Meine Konzept ist es dann, dass ich versuche mich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Es kann mir nicht allzu nahe gehen oder mir wehtun, weil es mich nicht emotionalisiert. Das ist auch das Allerwichtigste: man muss die Spreu vom Weizen trennen. Ich weiß, wenn die Leute mich beschimpfen, dann können sie mich nicht beschimpfen, weil sie mich nicht kennen. Die einzigen Menschen, die mir weh tun können sind jene Menschen, die ich in mein Herz lasse.Ich hoffe, dass das einige Polizistinnen und Polizisten auch so sehen und so agieren. Dass seine eigenen Befindlichkeiten eben zurückgenommen werden und jeder sich darauf konzentriert, was er oder sie zu tun hat. Es wird in meinem Fall nicht der kleine Tom beschimpft sondern Conchita, die anders ist als alle anderen.“Das gesamte Interview, geführt von KontrInsp Simone Mayr, können Sie im Magazin der Landespolizeidirektion Oberösterreich nachlesen!

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