Nuklearkatastrophe in Tschernobyl
Der Reaktorunfall in Tschernobyl am 26. April 1986, also vor genau 35 Jahren, war der bisher schwerste Reaktorunfall in der zivilen Nutzung der Kernenergie.Ein Unfall in dieser Größenordnung schien bis zum damaligen Zeitpunkt kaum möglich. Im April 1986 kam es im 4. Block des sowjetischen Kraftwerks infolge ungenügender Sicherheitsstandards, schwerwiegender Konstruktionsmängel beim Reaktor und Fehlbedienung durch das Personal zur Kernschmelze sowie zur vollständigen Zerstörung des Reaktors und des Reaktorgebäudes. Große Mengen radioaktiver Stoffe wurden in die Umwelt freigesetzt.Die große Höhe und weiträumige Verfrachtung des radioaktiven Materials waren damals unerwartet. Nicht nur die nähere Umgebung von Tschernobyl war betroffen. Bedingt durch die Luftströmungen waren auch europäische Staaten, die hunderte und teilweise sogar tausende Kilometer vom Unfallort entfernt sind, betroffen. Es zeigte sich damals, dass die Kontamination dort höher ist, wo es während des Durchzugs der radioaktiven Luftmassen geregnet hatte.Österreich war aufgrund der damaligen Wetterverhältnisse eines der am stärksten betroffenen Länder Zentraleuropas. Während des Durchzuges der radioaktiven Luftmassen wurde ein Großteil des Bundesgebietes kontaminiert. Neben dem kurzlebigen Iod-131, das längst zerfallen ist, wurde vor allem Cäsium-137 deponiert.Kernkraftwerksunfälle, der Absturz von Satelliten mit radioaktivem Inventar, der Austritt von radioaktivem Material nach einem Unfall, Sprengvorrichtungen mit radioaktiver Beimengung („Dirty Bombs“) sind einige der Szenarien, bei denen Gebiete kontaminiert und Menschen gefährdet werden.Bei solchen Vorfällen rückt vorrangig neben weiteren Einsatzkräften die Polizei aus. Ihre Aufgabe ist, neben den gewohnten polizeilichen Tätigkeiten, durch Setzen bestimmter Maßnahmen im möglicherweise kontaminierten Bereich, die Behörden zu unterstützen. Dafür gibt es bei der Polizei ausgebildete Strahlenspürerinnen und Strahlenspürer.Die Aufgaben des Sonderdienstes „Strahlenschutz in der Bundespolizei“ ergeben sich aus diversen Gesetzen und Verordnungen wie etwa dem Strafgesetzbuch, das Strahlenschutzgesetz oder das Gefahrgutbeförderungsgesetz. Nach dem Strahlenschutzgesetz können sich Behörden, zum Messen und Markieren der Kontamination sowie der Ermittlung der Exposition aufgrund einer sonstigen radiologischen Notstandssituation, der Mitwirkung der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes bedienen. Ein kontaminiertes Gebiet muss rasch abgesucht und eingegrenzt werden. Bei großräumigen radioaktiven Verunreinigungen werden die Beamten am Boden auch von den Kollegen aus der Luft unterstützt. Einige Bedienstete sind in unserer Spezialausbildung „Strahlenspu¨ren aus der Luft“ ausgebildet, wobei mit einem „Aeroradiometriesystem“ mit automatischer Positions- und Messdatenerfassung eine rasche und flächendeckende Erfassung der künstlichen und natürlichen Radioaktivität des Bodens möglich ist. Diese Systeme können wahlweise in einem Hubschrauber oder in einem Fahrzeug eingesetzt werden.Ein weiteres Spezialgebiet sind die Gefahrstoffkundigen Organe (GKO) der Polizei. Diese werden im Anlassfall aufgrund ihrer Sonderverwendung herangezogen. Diese Kollegen haben eine vollständige Ausbildung zum Strahlenspürer sowie zum Gefahrgutlenker und dazu noch eine 5-wöchige Spezialausbildung zum GKO. Die Aufgaben liegen in der Gefahrenabwehr in Hinblick auf atomare, biologische und chemische Gefahren. Dabei werden die GKO sowohl vorbeugend in der Erkennung als auch im Ereignisfall tätig. Dabei kann nicht nur eine Fachberatung erfolgen, es ist darüber hinaus auch die Durchführung polizeilicher Aufgaben im kontaminierten Bereich möglich, wie z. B. Messungen oder Probeentnahmen.Derzeit beträgt unser Personalstand an einsatzbereiten Gefahrenstoffkundigen Organen (GKO) 4 Einsatzbeamte, die auf den Dienststellen im SPK Linz, SPK Steyr, Landesverkehrsabteilung OÖ und dem BPK Ried im Innkreis ihren Dienst versehen.Derzeit sind in der LPD Oberösterreich 80 Strahlenspürerinnen und Strahlenspürer tätig, davon haben 7 Einsatzbeamte die Spezialausbildung „Strahlenspu¨ren aus der Luft“.Text: Thomas Schurz