Nachts, wenn alles schläft…
Wenn im Westen von Klagenfurt die Sonne untergeht und langsam die Dunkelheit hereinbricht, beginnt für zwei Piloten und einem sogenannten FLIR-Operator bei der Flugeinsatzstelle Klagenfurt der Arbeitstag. Sie werden in den bevorstehenden Nachtstunden maßgeblich daran beteiligt sein, wenn vermisste oder verunglückte Bergsteiger geborgen, flüchtige Straftäter verhaftet oder abgängige und in Lebensgefahr schwebende Personen gefunden werden.Einsatzort Vorarlberg?Es ist 18.50 Uhr an diesem verregneten Abend. Der Jahreszeit entsprechend befinden sich die Außentemperaturen im einstelligen Bereich und nähern sich von Stunde zu Stunde dem Nullpunkt. Für die beiden Einsatzpiloten Josef Samonig und Erwin Gross beginnt zusammen mit Alpinpolizisten Manfred Steinwender, welcher heute als FLIR-Operator das Team komplettiert der Nachtdienst. Und dieser wird einmal mehr der sprichwörtliche Flug ins Ungewisse. „Kein Dienst gleicht dem anderen, ob, wohin und aus welchem Grund wir heute abheben werden, wird sich erst zeigen“, erklärt mir Josef Samonig zu Beginn. Und dieses „Wohin“ könnte uns in dieser Nacht ziemlich weit führen, es umfasst nämlich das gesamte Bundesgebiet. Abhängig natürlich von verschiedenen Faktoren wie Wetter oder Nähe zum Einsatzort. Nur drei der österreichweit acht Flugeinsatzstellen können aufgrund der technischen Voraussetzungen auch Nachtdienste absolvieren. Neben Wien ist dies Salzburg und eben Klagenfurt, beide letzteren im wöchentlichen Wechsel – womit es theoretisch in rund zwei Stunden Flugzeit bis nach Vorarlberg gehen könnte.Während wir auf eine Alarmierung warten, sitze ich mit den Piloten und dem FLIR-Operator im Aufenthaltsraum zusammen und sie erzählen mir von ihrem Alltag. „Wir sind auf dieser Dienststelle sieben Einsatzpiloten sowie 15 Flight-Operatoren, davon wiederum 8 FLIR-Operatoren und haben abwechselnd Tag- und Nachtdienst. Von den rund 800 Einsätzen müssen in etwa 200 während der Nachtstunden absolviert werden“, erklärt Josef Samonig. Die Gründe, warum der FLIR-Hubschrauber abhebt und damit die für viele wohlverdiente Nachtruhe durchbricht, sind so vielfältig wie das Leben und doch haben sie eines gemeinsam: es geschieht niemals leichtfertig und ist aus einsatztaktischen Gründen notwendig. Wirtschaftliche Überlegungen spielen eine sehr untergeordnete Rolle, wenn schwere Straftaten gegen Leib und Leben oder fremdes Eigentum verübt wurden oder hilflose Personen in Lebensgefahr schweben. Dass die Dunkelheit besondere Herausforderungen für die Hubschrauberbesatzung bringt und diese trotz vieler technischer Hilfsmittel nicht selten an ihre physischen und psychischen Grenzen bringt erfahre ich just in dem Moment, als uns eine Alarmierung erreicht…Extreme Anforderungen an Mensch und MaschineEinsatzgrund: im Stadtgebiet von Klagenfurt ist eine Person seit mehreren Stunden abgängig und es wird vermutet, dass sie sich nicht zuletzt ob der niedrigen Temperaturen und des Regenfalles in Lebensgefahr befindet. Bevor wir abheben, werden die technischen Helferlein aktiviert: Nachtsichtbrillen für die beiden Piloten, der Suchscheinwerfer sowie die Wärmebildkamera, deren Bilder über einen Monitor vom FLIR-Operator Manfred Steinwender ausgewertet werden. „Diese Sonderausstattung erleichtert uns die Arbeit ungemein, aber den Hubschrauber in der Nacht unter Kontrolle zu halten Bedarf einer jahrelangen Übung und Erfahrung. Die Wahrnehmung von Geschwindigkeit und Höhe ist in der Dunkelheit eine ganz andere. Wenn noch Regen und Windböen dazukommen sind wir besonders gefordert“, sagt Einsatzpilot Erwin Gross zu mir kurz bevor wir abheben – nur fünf Minuten, nachdem die Alarmierung erfolgt ist.Glücklicherweise geht dieser Einsatz relativ rasch erfolgreich zu Ende, denn die Person kann auf dem Gelände einer aufgelassenen Gärtnerei unter dichtem Bewuchs mittels Wärmebildkamera lokalisiert werden. Per Suchscheinwerfer und Funk werden die Einsatzkräfte am Boden zu der Person gelotst. Die Nacht im Freien bei diesen Temperaturen hätte sie wohl kaum überlebt. Noch am Flug zurück zur Einsatzstelle erreicht uns ein Funkspruch: ein vermutlich verletzter Wanderer befindet sich in einer alpinen Notlage und muss geborgen werden. Ein Einsatz, welcher auch den FLIR-Hubschrauber an sein Leistungslimit bringt, denn Landungen bei Nacht im alpinen Gelände sind sehr anspruchsvoll und dementsprechend gefährlich. „Alternativen sind eine Seilbergung, etwa mit dem variablen Tau, oder auch, dass ich den Hubschrauber möglichst nahe dem Vorfallsort an geeigneter Stelle lande, damit Bergretter oder Alpinpolizisten den Verletzten zur Maschine bringen können“, erläutert Josef Samonig mögliche Vorgehensweisen. In diesem Fall kommen sie jedoch nicht zur Anwendung, denn wie es sich herausstellt, ist der Wanderer unverletzt und wird von Alpinpolizisten und Bergrettern zur nächsten Schutzhütte begleitet.Für den einen Lärm – für den anderen die RettungZurück in Klagenfurt wird die Maschine für den nächsten möglichen Einsatz vorbereitet und die Besatzung nutzt die Zeit auch für eine Erholungsphase. Wir sprechen nochmals über die enormen körperlichen und geistigen Belastungen von Nachtflügen. „Nachtsichtbrillen sind zwar eine große Hilfe aber die Augen ermüden dadurch viel schneller“, erklärt Josef Samonig. Deshalb ist die Flugzeit mit Nachtsichtgeräten auf fünf Stunden limitiert. Zudem sind in der Nacht ausschließlich zwei Piloten an Board, wobei der Co-Pilot den verantwortlichen Piloten unterstützend zur Seite steht und im Bedarfsfall jederzeit die Steuerung des Hubschraubers übernehmen kann. Spezielle Ausbildungen und Trainingseinheiten sind für die Piloten unabdingbar.Für den Rest der Nacht bleibt es für die Besatzung des FLIR-Hubschraubers und damit auch für mich ruhig. Keine geräuschvollen Rotorblätter stören die friedvolle Nachtruhe und ich habe gerade in dieser Hinsicht etwas Wichtiges gelernt: mag man sich auch durch den Lärm gestört fühlen, irgendwo befindet sich unter Umständen eine hilflose Person, welche diesen „Lärm“ und damit die Rettung herbeisehnt.