Terrornacht in Wien
Einsatz der burgenländischen SpezialkräfteAm 02.11.2020 wurde in den späten Abendstunden über den Offizier vom Dienst die Einsatzeinheit Burgenland für eine Unterstützungsleistung bei dem bereits laufenden Terroranschlag in der Wiener Innenstadt alarmiert. Innerhalb kürzester Zeit waren insgesamt 42 Bedienstete der Einsatzeinheit Burgenland verfügbar, welche sich in der LPD Burgenland in Eisenstadt meldeten. Zum einen wurden Bedienstete aus der Freizeit oder aus dem Urlaub alarmiert, zum anderen aus dem laufenden Streifendienst abkommandiert.Die Entsendung der EE-Bediensteten konnte deshalb auch sehr zielgerichtet und zeitnah in den Einsatz nach Wien erfolgen, weil jedes Mitglied dieser Spezialeinheit über die persönliche Sonderausrüstung inklusive Langwaffe verfügte und nicht erst vor Ort ausgestattet werden musste. Das garantiert im Ernstfall eine sehr schnelle Verfügbarkeit und eine sehr effektive Einsatzbereitschaft in kurzer Zeit.Aus dem ersten Gestellungsraum in der Polizei-Kaserne Wien-Meidling wurde die EE Burgenland im Einsatzabschnitt „Objektschutz“ eingesetzt und löste Kräfte der LPD Wien ab, die bereits seit Beginn des Einsatzes vor Ort waren.Einige burgenländische Polizisten, welche im 1. Bezirk „Stellung bezogen“ hatten, waren auch an jenen Örtlichkeiten, wo der Terroranschlag stattgefunden hatte beziehungsweise bereits die Tatortarbeit aufgenommen worden war.Da zu diesem Zeitpunkt noch ein weiterer Täter vermutet worden war, geschah dies unter erhöhter Eigensicherung und auch unter sehr hohem psychischem und physischem Druck.Der Einsatz dauerte für die Bediensteten der EE Burgenland bis zur Mittagszeit des 03.11.2020, danach übernahmen Kräfte des Österreichischen Bundesheeres oder der zuständigen Dienststellen in Wien.Für die Beamten und BeamtInnen der EE Burgenland war dies der erste Einsatz in ihrer Laufbahn, wo sie es mit einem Terroranschlag zu tun hatten und man konnte somit auch die gesamte Dynamik und Anspannung eines solchen Ereignisses spüren.Wie läuft die Ausbildung bei der Einsatzeinheit?Österreichweit werden alle EE-Bediensteten auch auf die Bewältigung von sogenannten lebensbedrohlichen Einsatzlagen geschult. Mit dem Schulungskonzept „Robuster Raumschutz“ werden alle Bediensteten der EE durch die Einsatztrainer in der Landespolizeidirektion in einer 40-stündigen Grundausbildung sowie einzelnen Trainingstagen im Jahr, intensiv in diesen Bereich trainiert.Zum Trainingsprogramm gehören Inhalte wie taktisches Vorgehen im Verband, Schießausbildung, Erstversorgung von Verletzten, Verhalten bei Sprengmittel.Die Inhalte werden sehr intensiv und praxisnahe trainiert und sind für alle teilnehmenden Bediensteten sehr fordernd. Dies ist unbedingt erforderlich, um bei solchen Einsatzlagen auch handlungsfähig zu bleiben, da im Hochstressbereich nur geübte und eintrainierte Handlungsmuster abgerufen werden können.Obstlt Manfred Schreiner, beim Einsatz in Wien Kommandant des burgenländischen EE-Kontingents:“Die Stimmung unter uns war schon bei der ersten Lagebesprechung in Eisenstadt noch vor dem Abrücken nach Wien einfach anders. Wir waren ruhig, aber sehr konzentriert – auch weil es schon mehrere Tote gab und wir von mehreren flüchtigen Tätern ausgehen mussten.Im Einsatzraum arbeiteten wir sehr konzentriert und vor allem diszipliniert.Die Kolleginnen und Kollegen der EE-Burgenland meldeten sich zum Teil freiwillig aus ihrer Freizeit für den Einsatz – einige unterbrachen auch ihren Urlaub.Wie rasch und zahlenmäßig stark wir nach unserer Alarmierung einsatzfähig waren, zeigt von hoher Einsatzfreude und starker innerer Bindung – das Burgenland und ich können sehr stolz auf diese Einheit sein!“Ein erfahrener 49-jähriger EE-Beamter, der in Wien in der operativen Führung eingesetzt war:“Es war in meiner fast 30jährigen Polizeilaufbahn ein Einsatz, mit dem ich in dieser Form in Österreich nicht gerechnet hätte.Wir bereiten uns doch sehr intensiv beim Einsatztraining auf Amok- oder Terrorlagen vor und trainieren verschiedenste Szenarien. Ich dachte auch das wir in Österreich doch von solchen Ereignissen verschont bleiben würden.Ich war von Beginn an – von der Alarmierung weg – sehr ruhig und gelassen, obwohl ich im Hinterkopf eine laufende Terrorlage hatte. Bei mir liefen eintrainierte Handlungsabläufe fast automatisch ab. Was brauche ich, was muss ich noch machen, was wird mich erwarten.Aufgrund des doch sehr langen und intensiven Trainings der letzten Jahre waren alle möglichen Handlungsabläufe in mir präsent. Angst habe ich verdrängt, jedoch ist eine gewisse Anspannung immer spürbar gewesen. Vor allem in den Phasen, als wir uns durch den Tatort durchbewegten, in der Annahme das noch ein weiterer Täter vor Ort sei. Es war zu dieser Zeit gespenstig ruhig und sehr angespannt. Ein sehr unheimliches Gefühl, das uns alle zu dieser Zeit überkam.Ich habe auch versucht die doch noch sehr jungen und unerfahren Kollegen zu führen und hatte nie den Eindruck, dass auch nur ein Kollege oder eine Kollegin dieser Sache nicht gewachsen wäre. Die Truppe der EE Burgenland ist sehr motiviert und eingespielt und das hat man auch beim Einsatz gemerkt.“Eine 28jährige Polizistin, die seit 2014 Mitglied der EE Burgenland ist, schildert ihre Eindrücke:“Am 02.11.2020 bin ich so gegen 20:30 Uhr nach einem normalen Tagdienst nach Hause gekommen und habe von meinem Partner erfahren, welche Szenen sich in der Wiener Innenstadt abspielten.So wie bei jeder Meldung eines dramatischen Großereignisses durchforstete ich sofort alle Medien, und mir wurde klar: Jetzt hat es uns getroffen. Und in dem Moment wurde mir klar, dass ich heute noch nach Wien fahren werde, um die Kollegen zu unterstützen. Ich verspürte keine Angst davor, sondern Respekt. Laufend wurden Handyvideos von unbeteiligten Personen in diversen Nachrichtensendungen übertragen. Ich packte sofort alle Sachen, die ich für so einen Einsatz benötige und kurze Zeit später wurden wir alarmiert. Als wir uns in der LPD Eisenstadt sammelten, war ich überrascht, wie viele EE – Beamten schon einsatzbereit waren. Damit hatte ich nicht gerechnet. In der Runde bemerkte man eine gewisse Anspannung. Wo sonst kleine Witze oder „Schmähs“ gemacht wurden, war plötzlich alles ernst. Am Weg nach Wien hörten wir am Funk mit, um die Lage besser einschätzen zu können. In Wien angekommen wurde uns nach einiger Zeit die Einsatzörtlichkeit bekannt gegeben und wir wurden in 2er Teams eingeteilt. Mir wäre eigentlich egal gewesen, wer mein Teampartner wird, weil ich wusste, dass wir alle dieselbe hochwertige Ausbildung genossen haben. Obwohl es ein sowohl körperlich als auch psychisch sehr anstrengender Einsatz war, waren meine Sinne ununterbrochen geschärft. Ständig kreisten dieselben Gedanken in meinem Kopf: „Du hast jetzt keine Zeit für Müdigkeit“ „Bleib konzentriert“ „Lass nichts unbeobachtet“. Ich konnte alles abrufen, was ich in meiner Ausbildung gelernt hatte. Ständig spielte ich mögliche Szenarien in meinem Kopf ab. Letztendlich kam es glücklicherweise nicht soweit, dass solche Szenen für mich wirklich wurden. Denn auch wenn ich zu diesem Zeitpunkt in jeder Sekunde zu 100% funktionierte, so wird mir im Nachhinein sehr wohl die Realität und ihre möglichen Ausgänge bewusst. Wenn ich mich frage, was genau es war das mich funktionieren ließ, dann glaube ich, dass es größtenteils der Zusammenhalt der Polizisten war mit demselben Ziel: Den Schutz der Unbeteiligten. Bei solchen Einsätzen ist es besonders wichtig, „Halt“ von der Führung zu bekommen: auch das ist durch die klaren Anweisungen, die ständige Kommunikation und die Professionalität gelebt worden.“